In meiner beruflichen Praxis stelle ich immer wieder fest, dass zahlreiche Unternehmen an der Assessment-Center-Methodik festhalten, um externe Bewerber/innen einzuschätzen oder interne Kandidat/innen im Rahmen von Entwicklungsprogrammen zu evaluieren. Dabei spricht heute kaum mehr etwas für dieses sehr aufwendige Verfahren. Die wichtigsten Aspekte:
- Die prognostische Validität von Assessment-Centern hat in den letzten Jahren signifikant abgenommen und liegt aktuell nur noch bei etwa 0,3. (In der Spitze sind Werte von etwas über 0.7 möglich.)
- Diese Entwicklung ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, darunter verbesserte eignungsdiagnostische Forschung, zunehmende Bekanntheits- und Trainingseffekte sowie unzureichend qualifiziertes Personal bei der Konzeption.
- Aufgrund mangelnder Standardisierung und spezifischen Defiziten in der Diagnostik in den Unternehmen ist es kaum möglich, durch neue Studien bessere Validitätswerte für Assessment-Center zu erzielen.
- Die verbreitete Fokussierung auf verhaltens- und situationsorientierte Elemente vernachlässigt die sogenannt „trimodale“ Ausrichtung (Eigenschafts-, Biographie- und Simulationsansätze) und führt nicht zu inkrementeller Validität (= Zusatznutzen durch zusätzliche Verfahren)
- Die erheblichen betrieblichen Kosten (Konzeption, Organisation, Durchführung) lassen sich im Vergleich zu validitätsstärkeren Auswahlverfahren (Intelligenztests, strukturierte Interviews, Arbeitsproben) kaum rechtfertigen.
- Neben Qualitätsmängeln sind typische Negativeffekte zu berücksichtigen, etwa Beurteilungsfehler, soziale Kontrolle, unzulässige Einflussnahmen, erhöhte Sichtbarkeit der Kandidaten im Unternehmen und „Verlierer-Effekte“.
- Fachleute aus der Personaldiagnostik kritisieren die Assessment-Center-Methode als nur noch symbolisch wirksam, da ihre prognostische Qualität trotz Schulungen und Methodenaufwand hinter anderen Verfahren zurückbleibt.
- Optimierungsmöglichkeiten orientieren sich an den bekannten Mängeln und umfassen professionelle Konzeption und Validierung, trimodale Ausrichtung, Verfahrenskombinationen, Vermeidung von Redundanzen, zeitliche Straffung, Standardisierung und vertretbare Ressourceneinsätze – was de facto auf die Nutzung des Multimodalen Interviews als effizientere, validere und wirtschaftlichere Alternative hinausläuft.
All das muss nicht zur völligen Abschaffung dieser Methode führen. Aber das mögliche Einsatzspektrum dürfte deutlich kleiner werden. Von zentraler Bedeutung wird es aber sein, bei einem Festhalten am Assessment Center erheblichen Aufwand auf die Konzeption zu verwenden (insbesondere auf die Normierung / Validierung.)